Was bedeutet es, wenn du extrem karriereorientiert bist, laut Psychologie?

Du kennst bestimmt diese Person: Immer perfekt gekleidet, ständig am Handy, und während du dir noch überlegst, was du zum Mittagessen haben willst, hat sie bereits drei Meetings abgehalten und den nächsten Karriereschritt geplant. Aber mal ehrlich – hast du dich schon mal gefragt, was in solchen Menschen vorgeht? Spoiler Alert: Es ist komplizierter, als du denkst.

Warum manche Menschen einfach nicht stillsitzen können

Die Sache ist die: Karriereambitionen sind wie ein Röntgengerät für die Persönlichkeit. Sie zeigen dir nicht nur, was jemand will, sondern auch, wer er wirklich ist. Forscher der Universität Bern haben über Jahre hinweg Tausende von Menschen beobachtet und dabei etwas Faszinierendes entdeckt: Beruflicher Erfolg verändert uns tatsächlich – und zwar auf eine Art, die wir meist gar nicht bemerken.

Andreas Hirschi und sein Team verfolgten 2023 in einer groß angelegten Langzeitstudie die berufliche Entwicklung von Menschen über neun Jahre hinweg. Das Ergebnis? Menschen, die beruflich erfolgreich werden, entwickeln sich charakterlich anders als der Rest von uns. Sie werden emotional stabiler, offener für neue Erfahrungen – aber gleichzeitig auch etwas distanzierter und weniger gesellig.

Das bedeutet konkret: Deine Kollegin, die immer so kühl und kontrolliert wirkt? Das war sie vielleicht nicht immer. Erfolg formt uns, manchmal auf Weise, die wir selbst nicht mitbekommen.

Der Persönlichkeits-Fingerabdruck im Büro

Um zu verstehen, wie das funktioniert, müssen wir über die Big Five: Dein Persönlichkeits-Fingerabdruck im Büro sprechen – die fünf großen Persönlichkeitsdimensionen, die Psychologen nutzen, um Menschen zu verstehen. Das sind: Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und emotionale Stabilität.

Bereits 2006 zeigten die Forscher Mueller und Plug in einer wegweisenden Studie, dass diese Eigenschaften ziemlich genau vorhersagen können, wer beruflich durchstartet. Menschen mit hoher emotionaler Stabilität und Offenheit verdienen oft mehr Geld, während die Extravertierten eher in Jobs landen, die viel Ehrgeiz erfordern.

Aber hier wird es richtig interessant: Die Universität Mannheim fand 2022 heraus, dass das Ganze wie ein Pingpong-Spiel funktioniert. Nicht nur suchen sich bestimmte Persönlichkeitstypen bestimmte Jobs aus – die Jobs verändern auch die Persönlichkeit. Es ist ein psychologischer Tanz, bei dem sich beide Partner gegenseitig beeinflussen.

Der Plot Twist: Erfolg macht dich anders, als du denkst

Hier kommt der wirklich verrückte Teil: Erfolgreiche Menschen werden mit der Zeit tatsächlich stressresistenter und aufgeschlossener. Soweit, so erwartbar. Aber sie werden auch weniger extravertiert. Das heißt, sie ziehen sich mehr zurück, werden nachdenklicher, fast schon philosophischer.

Kennst du diesen CEO, der früher bei jeder Betriebsfeier der Mittelpunkt war und heute eher in der Ecke steht und beobachtet? Das ist kein Zufall. Das ist Persönlichkeitsentwicklung in Aktion. Der Erfolg hat ihn nicht nur reicher gemacht, sondern auch fundamental verändert.

Hochambitionierte Menschen: Die geheimen Codes

Was macht diese Menschen eigentlich so anders? Die Forschung zeigt ein ziemlich konsistentes Muster von Eigenschaften, die weit über den simplen Wunsch nach mehr Kohle hinausgehen:

  • Unglaubliche Stressresistenz: Sie können Druck aushalten wie Diamanten und erholen sich von Rückschlägen schneller als der Rest von uns
  • Ständiger Innovationsdrang: Sie sehen Probleme und denken sofort: „Wie kann ich das besser machen?“
  • Strategisches Denken auf einem anderen Level: Während du planst, was du am Wochenende machst, planen sie die nächsten fünf Jahre ihrer Karriere
  • Eiserne Selbstdisziplin: Sie können ihre Impulse kontrollieren wie Jedi-Meister und bleiben fokussiert, auch wenn Netflix lockt

Aber Vorsicht: Diese Superkräfte haben auch ihre Kehrseite. Wie bei jedem Superhelden gibt es auch hier einen Preis zu zahlen.

Die dunkle Seite der Macht

Dieselben Eigenschaften, die Menschen beruflich zu Übermenschen machen, können in zwischenmenschlichen Beziehungen zur echten Herausforderung werden. Das Kontrollbedürfnis, das im Beruf so hilfreich ist, kann in der Partnerschaft erdrückend wirken. Die Fähigkeit, Emotionen zu kontrollieren und strategisch zu denken, kann von anderen als kalt oder berechnend wahrgenommen werden.

Die Universität Mannheim fand heraus, dass hochambitionierte Menschen oft echte Schwierigkeiten haben, Work-Life-Balance zu finden – und zwar nicht nur zeitlich, sondern auch emotional. Sie können einfach nicht abschalten, weil ihr Gehirn permanent auf „Optimierung“ programmiert ist.

Der Teufelskreis des Erfolgs

Hier wird es psychologisch richtig wild: Je erfolgreicher jemand wird, desto mehr entwickelt er die Eigenschaften, die zu noch mehr Erfolg führen. Psychologen nennen das den „Selbstverstärkungseffekt“ – es ist wie ein emotionaler Schneeball, der immer größer wird.

Du bekommst eine Beförderung. Das stärkt dein Selbstvertrauen und deine emotionale Stabilität. Dadurch gehst du selbstbewusster in die nächste Herausforderung, was wieder die Wahrscheinlichkeit für Erfolg erhöht. Klingt gut, oder? Ist es auch – bis zu einem gewissen Punkt.

Das Problem ist: Menschen, die einmal in diesem Kreislauf gefangen sind, haben oft Schwierigkeiten, sich mit „weniger“ zufriedenzugeben. Sie brauchen den ständigen Kick der nächsten Herausforderung wie andere ihren Morgenkaffee.

Warum erfolgreiche Menschen nie zufrieden sind

Das erklärt auch, warum manche Menschen trotz objektiv beeindruckender Erfolge nie wirklich glücklich zu sein scheinen. Ihre Persönlichkeitsstruktur ist darauf programmiert, immer das nächste Level anzustreben. Es ist nicht Gier im klassischen Sinne – es ist eine tieferliegende psychologische Programmierung.

Diese Menschen definieren ihren Selbstwert oft über ihre beruflichen Leistungen. Erfolg wird zur Droge, und wie bei jeder Droge brauchen sie immer höhere Dosen, um dasselbe High zu erreichen. Psychologen nennen das das Hedonic Treadmill – ein Hamsterrad des Glücksstrebens, in dem man läuft und läuft, aber nie wirklich ankommt.

Wenn Ambition die Liebe killt

Jetzt wird es richtig interessant für alle, die selbst hochambitioniert sind oder mit solchen Menschen zusammenleben. Die Forschung zeigt kristallklare Muster, die immer wieder auftreten:

Das Kompatibilitätsproblem: Hochambitionierte Menschen fühlen sich oft zu ähnlich ambitionierten Partnern hingezogen. Das klingt erst mal logisch, kann aber zu einer Art „Ambitions-Wettrüsten“ in der Beziehung führen, bei dem beide Partner ständig versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen. Romantisch ist das nicht gerade.

Der Projektionseffekt: Sie erwarten unbewusst von anderen dieselbe Leistungsbereitschaft und können richtig frustriert reagieren, wenn Freunde oder Familie andere Prioritäten setzen. „Warum gibst du dich mit so wenig zufrieden?“ ist ein Gedanke, der häufig aufkommt – und der Beziehungen vergiften kann.

Die emotionale Eiszeit: Mit zunehmendem Erfolg werden sie, wie die Berner Studie zeigt, introspektiver. Das kann dazu führen, dass sie sich emotional zurückziehen, auch wenn sie das gar nicht bewusst wollen.

Die einsame Spitze ist wirklich einsam

Ein besonders tragischer Aspekt ist das Phänomen der „einsamen Spitze“. Je höher jemand auf der Karriereleiter steigt, desto weniger Menschen gibt es in seinem Umfeld, die seine Erfahrungen wirklich nachvollziehen können. Das führt zu einer Art psychologischer Isolation, die viele Führungskräfte kennen, aber selten zugeben.

Gleichzeitig haben diese Menschen oft massive Schwierigkeiten, Vulnerabilität zu zeigen. Die Eigenschaften, die sie beruflich stark machen – Kontrolle, strategisches Denken, emotionale Stabilität – machen es schwer, sich anderen gegenüber zu öffnen und echte Intimität zuzulassen.

Plot Twist: Erfolg macht dich auch stärker

Bevor du jetzt denkst, dass Karriereambition automatisch zu emotionaler Verödung führt, kommt hier die überraschende Wendung. Die neuesten Forschungsergebnisse zeigen nämlich auch bemerkenswerte positive Veränderungen.

Menschen, die beruflich erfolgreich sind, entwickeln über die Jahre eine beeindruckende Resilienz. Sie werden nicht nur stressresistenter, sondern auch offener für neue Erfahrungen und Perspektiven. Das kann zu einer Art „emotionaler Weisheit“ führen, die in allen Lebensbereichen von Vorteil ist.

Außerdem lernen sie oft, komplexe Situationen besser zu navigieren und entwickeln eine ausgeprägte Fähigkeit zur Problemlösung. Diese Fähigkeiten sind nicht nur im Beruf wertvoll, sondern können auch in persönlichen Beziehungen und bei der Bewältigung von Lebenskrisen Gold wert sein.

Der Schlüssel liegt im Selbstbewusstsein

Das Entscheidende ist das Bewusstsein für diese Prozesse. Wenn du verstehst, wie sich deine Persönlichkeit durch beruflichen Erfolg verändert, kannst du gegensteuern und die positiven Aspekte verstärken, während du die negativen Auswirkungen minimierst.

Menschen, die sich dieser Dynamiken bewusst sind, schaffen es oft besser, ihre ambitionierte Seite mit emotionaler Wärme und Beziehungsfähigkeit zu verbinden. Sie lernen, ihre strategischen Fähigkeiten auch dafür einzusetzen, bewusst in Beziehungen zu investieren.

Was das alles für dich bedeutet

Egal, ob du dich als den nächsten Elon Musk siehst oder einfach nur deinen Job überleben willst – diese Erkenntnisse können dir helfen, dich selbst und andere besser zu verstehen. Wenn du merkst, dass du ständig nach dem nächsten beruflichen Erfolg strebst, ist das nicht automatisch schlecht. Aber es lohnt sich, ab und zu innezuhalten und zu fragen: Verändert mich das? Und wenn ja, in welche Richtung?

Vielleicht erkennst du auch Muster bei dir, die du bisher nicht bewusst wahrgenommen hast. Bist du über die Jahre emotional distanzierter geworden? Hast du höhere Erwartungen an dich und andere entwickelt? Fällt es dir schwerer, dich zu entspannen und den Moment zu genießen?

Die gute Nachricht ist: Persönlichkeit ist nicht in Stein gemeißelt. Wenn du verstehst, wie beruflicher Erfolg dich verändert, kannst du bewusst entscheiden, welche Veränderungen du begrüßt und welche du korrigieren möchtest.

Deine Karriereambitionen verraten also nicht nur etwas über deine aktuelle Persönlichkeit, sondern auch über die Person, die du werden könntest. Und das ist vielleicht die spannendste Erkenntnis von allen: Wir sind nicht nur das Produkt unserer Persönlichkeit, sondern auch unserer bewussten Entscheidungen darüber, wer wir sein wollen. Der erste Schritt ist, zu verstehen, was in unserem Kopf vor sich geht – und dann bewusst zu entscheiden, ob uns das gefällt oder nicht.

Erfolg verändert dich – aber wohin führt er dich wirklich?
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